Couple of Steps: Vulkantour auf den Mount Rinjani

Couple of Steps – um genau zu sein, mehr als 80.000 Schritte für uns beide, zwei anstrengende Tage und einige Höhenmeter.

Letztes Jahr haben wir unsere erste Vulkantour auf Sizilien gemacht. Seitdem sind wir absolute Vulkan-Fans. Wie könnte man also nach Indonesien reisen, ohne einen der 150 Vulkane des Landes zu sehen? Unser Ziel war der Mount Rinjani, der zweithöchste Berg Indonesiens und natürlich ein Vulkan. Die Tour dauert zwei Tage. Einen Tag geht es nach oben bis zum Kraterrand, dann steht eine Übernachtung im Camp an und am nächsten Tag geht es wieder runter.


Der Mount Rinjani

Der Rinjani befindet sich auf Lombok und ist mit seinen 3.726 Metern nicht nur der zweithöchste Berg Indonesiens, sondern auch ein Ort von großer kultureller und spiritueller Bedeutung.

Für die Locals ist der Mount Rinjani mehr als nur ein Berg. Er ist ein heiliger Ort, der oft von Pilgern besucht wird. Insbesondere der Kratersee Segara Anak, gilt als heilig. In der lokalen Mythologie ist der Berg das Zuhause von Göttern und Geistern, die als “Djinn” bekannt sind. Diese Geister werden als Beschützer der Dörfer und des Berges angesehen.

Uns wurden Geschichten erzählt, dass Personen, die den Tieren, die auf dem Berg leben, geschadet haben, mit Krankheit bestraft wurden. Einer der Arbeiter hatte vor langer Zeit einen Affen getötet und war ab diesem Tag wohl ein ganzes Jahr krank.


Der Tag davor

Den Tag davor haben wir in Senaru, einem Bergdorf, verbracht. Von dort aus soll am nächsten Tag die Tour starten. Von der Unterkunft aus konnte man in der Ferne schon den Berg sehen. Wir sind den Tag ganz entspannt angegangen und haben Kräfte für die Wanderung getankt. Außerdem haben wir Linda und Lina kennengelernt, zwei Mädels, die am nächsten Tag ebenfalls eine Tour geplant haben. Es war ein gutes Gefühl, jemanden zu haben, der im gleichen Boot sitzt und mit dem man sich austauschen kann. Die beiden haben sogar eine erweiterte Tour geplant, bei der man mitten in der Nacht um 02:00 Uhr geweckt wird, um zu einem noch höher gelegenen Krater aufzubrechen. Als wir das gehört haben, hatten wir überlegt unsere Tour ebenfalls zu erweitern – Oh was waren wir dumm und naiv!

Um Energie für die Wanderung zu haben, haben wir uns „authentische italienische Pasta“ bestellt – Schärfegrad 5,5 von 10 Chilis (Wir haben gelernt, dass Schärfegrade in Indonesien anhand der Anzahl der Chilis von 1-10 gemessen werden. Eine Chili war bis zu dem Zeitpunkt unser Limit.)


All the way up, up, up, up

Am nächsten Morgen haben wir uns mit Banana-Pancakes gestärkt und nach einer ordentlichen Schicht Sonnencreme und Insektenspray ging es um 07:30Uhr los. Die Anspannung lag in der Luft; wir wussten nicht welche Herausforderungen und Überraschungen der Tag bringen würde.

Unsere Gruppe bestand aus uns beiden sowie Alvaro und Rosa, einem super sympathischen Paar aus Valencia und natürlich unserem Guide Lim. Er hat sich immer wieder Zeit genommen uns Fragen über Flora, Fauna sowie Land und Leute ausführlich zu beantworten. Zusätzlich sind Porter vorausgegangen, die Essen, Getränke und Camping-Equipment mit einem Bambus-Stab über der Schulter getragen haben. Teilweise bis zu 50kg!!

Der Weg zum Gipfel war in 4 Abschnitte, die „Positions“ genannt wurden, unterteilt. Jeder der Abschnitte hatte seine eigenen „Höhen und Tiefen“ und teilweise komplett unterschiedliche Natur.


Eingang Nationalpark ➜ Position 1 (ca. 2 Std)

Noch schnell ein Vorher-Foto gemacht, dann sind wir voller Energie und Motivation gestartet. Der Startpunkt lag am Rand des Nationalparks und führte uns mitten durch den Regenwald. Der Untergrund im ersten Abschnitt war erdig, bei einer moderaten Steigung, die immer wieder von natürlichen Stufen aus Wurzeln unterbrochen wurde. Wir haben relativ viele Palmen gesehen, aus denen scheinbar brauner Zucker gewonnen wird.

An Position 1 haben wir eine Wasser- und Keks-Pause zur Stärkung gemacht. Lara ist ein bisschen zu energisch losgegangen und hat nicht auf ihre Atmung geachtet. Schon hier war sie ziemlich am Limit und war sich nicht sicher, ob sie weitergehen will. Nach einem Pep-Talk und einer Ladung Asthma-Spray sah die Welt schon wieder anders aus und es ging weiter.



Position 1 ➜ Position 2 (ca. 1,5 Std)

Nach der ersten Pause haben wir unser Lauftempo gefunden. Es war wie im Tunnel, einfach immer weiter und weiter laufen, ohne groß darüber nachzudenken. Der Pfad durch den Regenwald wurde steiler und die Menge der Wurzeln und umgefallener Bäume, die wir überwinden mussten, größer. Hier haben wir das erste Mal Anzeichen für die heimischen Affen entdeckt. Immer mal wieder lag am Boden eine angebissene Rafflesia-Frucht. Wir haben sie zuerst für Fliegenpilze gehalten, da sie knallrot sind und kleine weiße Punkte haben.

Erschöpft, aber stolz erreichten wir Position 2, wo eine kalte Cola und Mittagessen auf uns gewartet haben. So sehr haben wir uns selten über eine kalte Cola gefreut. Es gab eine XXL Portion Reis, Gemüse, Hähnchen, Ei und Tee. Ehrlich gesagt war die Menge fast zu viel, aber nach der Anstrengung war es eine willkommene Belohnung.

Im Lager haben wir nun endlich auch die Affen gesehen! Sie warteten rund um den Lunch-Spot um das ein oder andere Stück Obst abluchsen zu können. Wer Laras Vorgeschichte mit Affen kennt, weiß, dass sie dieser Essensstopp noch mal extra Nerven gekostet hat.  

Neben den grauen Affen, die wir gesehen haben, gibt es tiefer im Dschungel auch noch schwarze Affen, Giftschlangen und Spinnen, wurde uns erzählt. In den höheren Regionen scheinbar sogar Wildschweine.



Position 2 ➜ Position 3 (ca. 2 Std)

„Ab jetzt wird es steil“. Das waren die ersten Worte, die wir im dritten Abschnitt gehört haben. Ganz schön unerwartet, weil wir bisher schon ziemlich mit der Steigung zu kämpfen hatten.  

Die Landschaft wurde immer abwechslungsreicher. Der Regenwald vermischte sich mit Wolken. Die Bäume auf dieser Ebene hatten rotes Holz und neben unserem Weg ging es oft fast senkrecht sehr viele Meter nach unten. Zwischen den Wolken, direkt am Abgrund wird einem bewusst, wie weit man eigentlich schon gekommen ist.

Ab der Hälfte dieses Abschnitts lichtete sich der Regenwald und machte Platz für einzelne Bäume und viele hohe Sträucher. Die Atmosphäre wirkte jetzt eher einsam und unbelebt. Lim erklärte uns, dass in diesem Gebiet vor etwa fünf Jahren ein Feuer gewütet hat. Die Auswirkung konnte man an verbrannten Baumstümpfen teilweise noch immer sehen.

Stopps wurden ab diesem Punkt zu einem zweischneidigen Schwert. Einerseits brauchten unsere Beine die kurze Pause, andererseits war es umso schwerer dann wieder loszulegen.



Position 3 ➜ Krater (ca. 2,5 Std)

Der letzte Abschnitt war der herausforderndste und startete bereits über den Wolken. Statt schattigem Wald hatten wir jetzt ungefilterte Sonne. Es ist beinahe unmöglich zu beschreiben, wie steil und anstrengend dieser letzte Streckenabschnitt wirklich war.

Er bestand aus drei größeren und einem kleinen Berg, bis zum Camp:

Die ersten beiden Teile führten uns durch ein Steilgelände mit Grasland, und das in der prallen Sonne. Es wurde immer sandiger und rutschiger. Jeder Schritt vorwärts, war wie zwei Schritte rückwärts.

Der nächste Teil war nichts als Stein und Geröll. Man musste sich ziemlich konzentrieren um von Stein zu Stein kommen. Die Muskeln brannten bei jedem Schritt und die Füße schmerzten langsam ziemlich. Wir mussten oft stoppen, um die letzten Kräfte zu sammeln.

Dann endlich konnten wir in der Ferne die Zelte des Camps sehen. Das hat uns noch mal einen richtigen Push gegeben, um die letzten Meter durchzuziehen – GESCHAFFT!!!



Unsere Nacht über den Wolken

8 Stunden später, auf 2.641 Metern Höhe, direkt auf dem Kraterrand, mit Blick auf den Kratersee, wussten wir, es war die Anstrengung absolut wert! Fotos können das Bild gar nicht richtig einfangen. Die Porter hatten schon alles hochgetragen und Zelte, Campingtische und Toilettenzelte (im Endeffekt nur ein Loch im Boden) aufgebaut. Unser Zelt für die Nacht wurde am Abhang mit Blick über ein Wolkenmeer positioniert. Hinter uns der Vulkan mit seinem Kratersee … und der Sternenhimmel erst!

Wir haben uns im Zelt eingerichtet, den Ausblick genossen und wurden lecker bekocht. Es gab Hähnchen-Curry mit Reis, frittierte Bananen, Tee und Kekse. Die Sorte „Sweet Cheese“ hat es uns besonders angetan.

Wir lagen schon um 19:00 Uhr im Bett, konnten zwar noch nicht schlafen, aber die müden Beine waren dankbar für die Erholung. Die Temperaturen waren im Vergleich zu den sonst so heißen Tagen ein ziemlicher Kontrast. Trotz mehrerer Schichten und zwei Schlafsäcken, war uns doch noch ziemlich frisch. Um 06:00 Uhr sollte es für uns weitergehen. Während wir in unseren Schlafsäcken lagen, mussten wir wieder an Linda und Lina denken. Sie mussten um 02:00 Uhr schon zur letzten Etappe aufbrechen und 4-5 weitere Stunden wandern, bevor es direkt danach an den Abstieg geht.



Der Abstieg

Die Nacht war für uns leider nicht so erholsam. Cedric hat sich schwer getan zu schlafen und Lara hatte mit Magengrummeln und Krämpfen zu kämpfen. Was wir erst für Überanstrengung gehalten haben, stellte sich am nächsten Morgen als verdorbener Magen heraus. Nicht nur Lara ging es schlecht, auch Rosa und Alvaro, aus unserer Gruppe, hatten damit zu kämpfen. Zum Glück hatten wir unsere Reiseapotheke dabei! Der flaue Magen war auf dem Weg nach unten ohne jegliche Toilette in der Nähe aber noch eine zusätzliche Challenge.

Nach einem reichhaltigen Frühstück machten wir uns an den Abstieg. Vor dem ersten Abschnitt zwischen dem Camp und Position 3 hatten wir den größten Respekt, da wir schon von gestern wussten, wie steil und rutschig dieser Teil war. Überraschenderweise ging es aber ganz gut und der Abstieg schien leichter als erwartet. Das dachten wir aber nur bis Position 2. Ab hier hat die Erschöpfung und Demotivation eingesetzt. Der Gedanke, dass noch ca. 3,5 Stunden vor uns lagen und die Blasen unter den Füßen, haben es uns nicht leichter gemacht. Doch nach weiteren 3 Stunden konnten wir schon den Gebetsgesang der Moscheen hören und die ersten Gebäude hinter dem Wald entdecken – das Ende war in Sicht. Überglücklich am Tor angelangt kam es anders als gedacht. Auf der Zufahrtsstraße ist ein Auto abgebrannt und versperrt den Weg. Wir konnten nicht wie geplant abgeholt werden. Also machten wir uns zu Fuß auf den Weg zum Auto, das 20 Minuten entfernt liegen sollte. Nach einer Stunde waren wir dann tatsächlich angekommen.

Die zusätzliche Wanderung hat sich aber gelohnt. Wir sind an vielen traditionellen Dörfern vorbeigekommen und haben von Lim einige Infos zu den Pflanzen und Früchten bekommen. Wir haben Kakao, Kaffee, Avocados in Übergröße, Jackfruit, Durian, Papaya, Mango und eine Baumwollfrucht gesehen. Außerdem sind wir einer giftigen “Goldenen Seidenspinne” und einer „Kreuzspinne“ begegnet.

So endete unsere Vulkantour am Mount Rinjani. Wir waren am Ende aber mega stolz und happy.



Zurück auf „festem“ Boden

Für uns ging es direkt weiter nach Bangsal, einer kleinen Hafenstadt von der aus es am nächsten Tag weiter auf die Gili-Inseln ging. Dort erwartete uns ein einfaches aber gemütliches Homestay bei Hajie und seiner Familie. Obwohl die Unterkunft einfach und provisorisch war, fühlten wir uns sehr wohl, denn die Herzlichkeit und Gastfreundschaft waren enorm. Hajies Frau kochte für uns ein leckeres Abendessen und die ganze Familie kümmerte sich darum, dass wir uns nach der anstrengenden Wanderung erholen konnten. Wir verbrachten den Abend mit vielen Gesprächen über die indonesische Kultur und generelle Werte und Glaubenssätze.

Erschöpft sind wir abends ins Bett gefallen und haben tief und fest geschlafen. Nachts sind wir nur kurz wachgeworden, weil wir bemerkten, dass die Wände schwankten, fast als würden wir in Wackelpudding liegen. Da das Haus direkt am Meer lag und nicht besonders stabil wirkte, haben wir uns das im Halbschlaf mit starkem Meereswind erklärt und friedlich weitergeschlafen. Erst am nächsten Morgen erfuhren wir von Hajie, dass er gegen die Tür gehämmert hatte und versucht hat uns zu wecken. Wir hatten ein Erdbeben verschlafen. Das Beben hatte im Epizentrum eine Stärke von 6,9 und lag nur 150km von uns entfernt.


Hinter den Kulissen


Die letzten Tage haben uns nicht nur körperlich herausgefordert und uns wunderschöne Natur gezeigt, sondern auch Einblicke in Land und Leute gegeben und uns nachdenklich gemacht.

Uns ist aufgefallen, dass die Porter, die mit uns auf den Berg gewandert sind, die Strecke in Flip-Flops oder sogar barfuß zurücklegen. Viele von ihnen können sich keine Schuhe leisten. Ein paar Wanderschuhe kostet hier etwa 36€, eine Summe, die für viele unerschwinglich ist.

In der Region ist der Bergtourismus einige der wenigen Möglichkeiten zu arbeiten. Viele Porter machen diese anstrengende Arbeit fast täglich um sich und ihre Familien über Wasser halten zu können. In der Regenzeit sind allerdings viele arbeitslos, da hier wenige bis keine Touren stattfinden können. Alternativ kann auf den Reisfeldern gearbeitet werden. Hier liegt der Tageslohn bei 3,50€. Das reicht nicht aus um die Familie zu ernähren. Vielen bleibt also nichts anderes übrig als täglich diese Bergtour zu machen. Unser Guide Lim träumt davon Farmer auf einer anderen Insel zu werden. Da er aber noch 3 kleine Kinder hat, bleibt ihm momentan nur der Berg.

Trotz dieser schwierigen Lebensumstände war die Gastfreundschaft und die Großzügigkeit der Menschen, die wir getroffen haben, überwältigend. Unser Host Hajie beispielsweise lebt nach dem Grundsatz, dass er nur dann glücklich sein kann, wenn es auch seinen Freunden, Nachbarn und seiner Familie gut geht. Sobald er etwas (Ein freies Zimmer, Obst aus seinem Garten, Geld …) übrig hat, teilt er es bereitwillig mit anderen. Für ihn ist das Wissen, dass seine Tochter ihr Essen mit Schulkameraden teilt, Anlass genug stolz zu sein. Ein guter Charakter bedeutet ihm mehr als Geld oder gute Zensuren.

Diese Begegnungen und Erfahrungen haben uns einmal mehr bewusst gemacht, wie wichtig es ist, dankbar zu sein für das, was wir haben, und wie viel wir noch lernen können von der Einstellung und dem Zusammenhalt in anderen Kulturen. Es waren Momente über die wir sicher noch das ein oder andere Mal nachdenken werden.

Nach insgesamt 16 (+1) Stunden Wandern in nur zwei Tagen unter sehr fordernden Bedingungen können wir sagen, dass das eine der anstrengendsten Erfahrungen unseres Lebens war, auf die wir mega stolz sind und durch die wir viel lernen konnten.

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